Falls Sie die Sendung gestern Abend verpasst haben: Im ARD-Fernsehen zur besten Sendezeit ging es bei „Hart aber Fair“ um das Thema Demenz. Am Beispiel von Til Schweigers neuestem Kinostreifen „Honig im Kopf“ mit Dieter Hallervorden in der Hauptrolle wurde diskutiert. Dieses Mal nicht wirklich kontrovers, denn im Grunde waren sich alle Teilnehmer einig und Til Schweiger konnte sich im Bad der Lobhudelei aalen. Der Film wurde vor allem von der Tochter des an Demenz erkrankten ehemaligen Fußballmanagers Rudi Assauer, Bettina Michel in den Himmel gelobt.
Ich für meinen Teil bin nach wie vor unentschlossen, ins Kino zu gehen. Ich arbeite hauptsächlich mit an Demenz erkrankten Menschen und als ehemalige Regie-Assistentin weiß ich, dass Fiktion wenig mit Realität zu tun hat. Obwohl die Ansprüche an Authentizität in Film und Fernsehen größer geworden sind und die Recherchebemühungen weitaus intensiver sind als noch vor einigen Jahren, überlege ich noch, welche Antriebsfeder es für mich gibt. Dieter Hallervorden ist sicher nach wie vor sehenswert und meinem Sohn ist fast jeder Klamauk ein Vergnügen. Aber gerade Kinder haben sehr sensible Antennen. So eine Zuschauerin zum Film via Facebook: „Leider ist es im wirklichen Leben anders…“
Weitere Gäste der Sendung waren Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie, Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin sowie Christina Grote, Pflege-und Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale NRW.
Hier kurz zusammen gefasst einzelne Stimmen:
Der Hirnforscher Gerald Hüther Professor ist der Meinung, dass Lachen befreit, wo es kompliziert wird. Es gibt kein Patentrezept in dieser außergewöhnlichen Situation. Jeder Mensch ist anders und zeigt sich in dieser Situation in noch einer besondereren Weise. Die Kunst besteht darin, dass man sich die Person anguckt und erkennt wo es es fehlt. Insgesamt ist der der Ansicht, dass ein Mensch gesehen werden muss, gesehen werden will, dass er Teil einer Gemeinschaft ist, sonst verlernt er das Denken. Das Gehirn ist faul und wenn es nicht aktiv gehalten wird, verkümmert es. Lebensfreude findet er einen ganz wichtigen Aspekt, auch bei der Krankheit
Demenz. Angstauslöser dagegen sind ungünstigste Faktoren, die den Zustand des Erkrankten verschlechtern können.
Christina Grote, Pflege-und Gesundheitsexpertin hält einen wertschätzend und freundlichen Umgang für sehr wichtig. Man soll zeigen, dass man den Menschen mag, auch mit dieser Krankheit. Sie rät Angehörigen, sich rechtzeitig Hilfe zu von Außen zu holen. Man sollte sich schnell klar machen, dass es bei der Pflege um einen 24h Job geht, den man nicht alleine schaffen kann, auch wenn viele dieser Meinung sind oder falsche Ansprüche an sich selbst stellen. Sie hat das Thema der Geschäftsfähigkeit angeschnitten. Hier ist ist es ratsam, sich zügig Gedanken zu machen. Welche Konsequenzen hat es, wenn der Erkrankte weiterhin geschäftsfähig bleibt und welche, wenn man ihm die Geschäftsfähigkeit aberkennt. Ist die Geschäftsfähigkeit nicht gegeben, muss zum Beispiel immer eine Betreuungsperson da sein. Auch die Familienpflegezeit wurde kurz angesprochen. Die Verbraucherzentrale berät zu diesem und auch zu anderen Themen.
Ob ein Angehöriger ins Pflegeheim kommt und welches der richtige Zeitpunkt dafür ist, ist individuell verschieden. Im Grunde möchte niemand weg von Zuhause, aber manchmal gibt es Situationen, die diesen Schritt erfordern. Ratsam ist, sich früh mit den Möglichkeiten vertraut zu machen. Menschen mit Demenz sind auf ihre Bezugspersonen sehr fixiert, das macht es oft schwer für Angehörige, eine Entscheidung zu treffen. Schon bei stundenweiser Hilfe zögern viele zu lange. Ich aus meiner Erfahrung kann sagen, dass die Unterstützung durch professionelle Hilfe nur ein Zugewinn sein kann.
Rita Süssmuth ist sich sicher, dass die Älteren teilhaben wollen und Aufgaben brauchen. Die Förderung und der Ausbau von Nachbarschaftshäusern sei ein guter Weg, sich gegenseitig zu helfen und verhindere Ausgrenzung und Isolation. Sie betont, dass Lachen und Weinen die ursprünglichsten menschlichen Phänomene sind und die Geschichte Schweigers auch deshalb funktioniere. Was das steigende Armutsrisiko bei pflegenden Angehörigen angehe, da müsse es einen Ausgleich geben.
Till Schweigers Idee, Kinder und Demenzkranke zusammen bringen, haben schon einige Institutionen erkannt und umgesetzt. Eine weitere Zuschauerreaktion zu dem Film war „Lachen hilft Leiden ertragen“. Sicher stimme ich zu. Das alleine reicht allerdings nicht.
Pflege muss menschenwürdiger und bezahlbar werden. Um das zu erreichen, ist es wichtig, das Thema Pflege und Demenz immer wieder auf´s Neue in die Öffentlichkeit zu bringen. Denn es geht uns alle an. Wir werden alle mal alt, mit Glück selbstbestimmt und gesund.
Herzlich, Ihre Sonja Kunow